Nominated „Best life show 2024“ by Deutscher Jazzpreis
Ellington!
Die Art ihres Zusammenspiels ist kaum anders als telepathisch zu bezeichnen. Dabei verbindet sich Erfindungsreichtum mit technischer Perfektion. Aki Takase und Daniel Erdmann haben viel miteinander geprobt, und das merkt man. Aber vor allem haben sie sich und uns viel zu erzählen. Die Präzision, mit der sie Unisoni und rasante Wechsel der Tempi zu meistern wissen, steht dem Flug ins Freie nicht im Wege, sondern öffnet ihm die Türen. Was während der Pandemie mit Videoschaltungen zwischen dem in Reims beheimateten Saxophonisten und der Berliner Wohnung der Pianistin begann, wurde live fortgesetzt. Bald spürten die beiden, dass sie mit ihrer Duo-Platte „Isn’t It Romantic?“ noch lange nicht alles gesagt, sondern gerade einmal den Anfang gemacht hatten. Die Lust am freien, eigenen Ausdruck und die Bewunderung für die Jazztradition führten Aki Takase und Daniel Erdmann beinahe instinktiv zu Ellington.
Das Schaffen von Duke Ellington – seine Kompositionen, seine Orchesterstücke, die Mannigfaltigkeit seines Werkes und sein Klavierspiel – erwies sich als geradezu idealer Ausgangspunkt für die Spielabenteuer im Duo. Ellington wurde zum Zündstoff für die Phantasie. Dabei fanden die beiden eine Vielzahl von Zugängen. Das Spektrum reicht von weitgehender Nähe zum Original bis zu Umdeutungen, von der Variation über die Dekonstruktion und Verfremdung bis zur Kreation von etwas gänzlich Eigenem, das sich nicht mehr vom Material der Vorlagen, sondern von der Stimmung, der Atmosphäre der Kompositionen bzw. Originalaufnahmen inspirieren lässt. Themen von Duke Ellington weisen dem Duo den Weg zum Essentiellen ihres gemeinsamen Spiels: zur Improvisation.
Aki Takases Beschäftigung mit der Tradition durchzieht ihre gesamte künstlerische Biographie. Sie hat sich mit Fats Waller, W. C. Handy, Eric Dolphy, Ornette Coleman und immer wieder auch mit Duke Ellington beschäftigt – stets mit dem Ziel, tiefer in die inneren Zusammenhänge des Jazz einzudringen und sich für ihr eigenes Spiel inspirieren zu lassen. Dabei hat sie neben dem Solo insbesondere das Duo-Format bevorzugt.
Die Musik von Duke Ellington eignet sich für die Duo-Exkurse vor allem auch deshalb, weil sie so universell ist und weil sie in der Jazzgeschichte einen zentralen Platz einnimmt. Ellington gelang der Brückenschlag von der Überlieferung zur Moderne, von der Tradition zur Avantgarde. So, wie sich Ellington selbst auf das Kontinuum der afroamerikanischen Musik bezogen hat, können Aki Takase und Daniel Erdmann sein Schaffen nun auch auf seine Vorgänger, seine Zeitgenossen und seine Nachfolger projizieren, es also in einen Zusammenhang stellen, der von Ragtime und Stride Piano über Thelonious Monk und Bud Powell bis zu Cecil Taylor, von Schönberg und Strawinsky bis zu Conlon Nancarrow, von Ben Webster und Coleman Hawkins über John Coltrane bis in die Gegenwart reicht.
Jedes der Duo-Stücke eröffnet einen anderen Zugang, entfaltet eine eigene Farbe. Swingende Fröhlichkeit steht neben balladesker Leidenschaft und romantischer Melancholie, impressionistische Leichtigkeit neben dichten Klangwolken. In der Summe entsteht ein multiperspektivisches Bild und natürlich – wie bei allen gelungenen Reminiszenzen im Jazz – auch ein Selbstportrait, in diesem Falle ein Doppelportrait. In der musikalischen Interaktion, im beseelten Miteinander entsteht das spannende Psychogramm des Duos. Ellington wird dabei zum gemeinsamen Bezugspunkt. Um seinen Spirit, der Charles Mingus zu einem seiner schönsten Stücke inspirierte – ein Stück, dessen Titel auch als Überschrift für diese Duo-Aufnahmen gelesen werden kann: „Duke Ellington’s Sound of Love“. Bert Noglik
Daniel Erdmann wurde 1973 in Wolfsburg geboren. Er spielt seit 1983 Saxophon und studierte u.a. bei Gebhard Ullmann an der Hochschule für Musik Hanns Eisler. Er nahm Alben für verschiedene Labels auf, u.a. BMC, ENJA, ACT, LABEL BLEU, INTAKT und spielt weltweit Konzerte mit Bands und Musikern wie Das Kapital, Vincent Courtois, Aki Takase, Carlos Bica, Heinz Sauer, Samuel Rohrer, Henri Texier. 2014 gründete er die deutsch-französische Compagnie DAS ATELIER und seine neue Band Daniel Erdmann´s Velvet Revolution mit Théo Ceccaldi und Jim Hart. Das erste Album der Band bei BMC Records wurde mit dem Jahrepreis der deutschen Schallplattenkritik und einem Echo Jazz ausgezeichnet. Im Herbst 2020 wurde Daniel Erdmann im Rahmen des Enjoy Jazz Festivals mit dem renommierten SWR Jazzpreis ausgezeichnet. Im Juni 2021 ist er Preisträger des erstmals vergebenen Deutschen Jazzpreises.
Die in Berlin lebende japanische Pianistin Aki Takase und der Saxophonist Daniel Erdmann, trafen sich erstmals Mitte der 90er Jahre, als Takase Improvisation an der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“ unterrichtete und Daniel Erdmann zu dieser Zeit studierte. Im Jahr 2000 bekam Daniel Erdmann ein Stipendium des deutsch-französischen Kulturrates und zog nach Paris – damit endete vorerst die Zusammenarbeit mit der stilprägenden Pianistin. 15 Jahre später trafen sich die Beiden zufällig am Pariser Flughafen. Dort verabredeten sie sich, endlich wieder gemeinsam zu spielen. Noch im selben Jahr gründete Aki Takase das Quintett „Japanic“, das 2019 das Album „Thema Prima“ veröffentlichte.
Ihre Zusammenarbeit im Duo begannen die Beiden bereits 2019 und intensivierten sie während des ersten, durch Corona bedingten Lockdowns im Frühjahr 2020. Trotz der Beschränkungen und der technischen Tücken hatte das Ganze ein Gutes: die völlige Konzentration auf das Projekt. Über das erste Konzert in Frankreich schrieb Bruno Pfeiffer im Jazz-Blog der Zeitung Liberation: „Komplexe Akkorde und souveräne Melodien zusammen mit einer komplizenhaften Balance, bei der die Protagonisten wie zwei Läufer Hand in Hand die Ziellinie überqueren. Am Ende verlassen wir das Duo mit dem Drang zu tanzen“.
Anfang Juni 2021 wurde Beiden der erstmalig vergebene deutsche Jazzpreis verliehen.